Übergabe der Dokumente
Informationen über die Privatisierungsbestrebungen des Landes wechselten die Besitzer. (Von links): Ver.di-Vertrauensmann Andrea Bagats, SPD-Landtagskandidatin Sabine Tippelt, Grünen-Sprecher Uwe Uecker und Ver.di-Vertrauensmann Joachim Kerl

TAH-Artikel: Kommt nach der Wahl die Privatisierung?

Ver.di sucht Mitstreiter im Kampf gegen die Privatisierung des Straßenbetriebsdienstes in Niedersachsen

Kreis Holzminden (bs). Andrea Bagats kommt mit einem Aktenstapel unterm Arm zum Pressegespräch. Darin dokumentiert sind die Bemühungen des Landes um die Privatisierung des Straßenbetriebsdienstes in Niedersachsen. Betroffen davon wäre auch die Straßenmeisterei in Eschershausen. Deshalb sitzt neben Bagats, dem ver.di-Vertrauensmann aus Hameln, auch Joachim Kerl, ver.di-Vertrauensmann aus dem Geschäftsbezirk Eschershausen. Die Beiden sind auf der Suche nach Mitstreitern gegen die Privatisierung, die sie nach der Landtagswahl befürchten. Landauf, landab werden deshalb die Landtagskandidaten zu Gesprächen eingeladen. In Holzminden sind es im Rahmen der Kampagne „Öffentlich ist besser“ Sabine Tippelt (SPD) und in Vertretung von Christian Meyer (Grüne) der Grünen-Sprecher Uwe Uecker, die schließlich die Aktenordner entgegen und mit nach Hause nehmen.

Noch, so die Gewerkschaftssekretärin Angela Schultjan, hält sich die Landesregierung bedeckt. Das Thema soll vor der Landtagswahl nicht hochgespielt werden. Nach der Wahl soll aber prompt gehandelt werden, befürchten die Gewerkschaftler, verweisen auf jetzt abgeschlossene Pilotprojekte. Dabei, Andreas Bagats schlägt den Aktenordner auf, berge das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten für die Mitarbeiter der Straßenmeistereien erschütternde Ergebnisse. Angeblich könne das Land durch die Übernahme der Betriebsdienstbezirke rund 153 Millionen Euro einsparen. Dabei sollen Betreuungslängen von jeweils rund 300 Kilometern für sieben Jahre an private Anbieter vergeben werden. Die Hälfte des Landespersonals soll auf die Privaten überwechseln, 440 weitere Kollegen würden nicht mehr gebraucht, sollen aber ohne Aufgaben weiter beschäftigt werden. Welcher Arbeitgeber, so Angela Schultjan, würde Personal bezahlen, ohne es weiterhin mit Aufgaben zu betrauen? Auch die im Gutachten angesprochene Möglichkeit, die 293 Straßenwärter der Landkreise landesweit mit einzusetzen, sei unrealistisch. Das seien Beschäftigte der Landkreise, das Land besitze hier gar nicht die Diensthoheit. Und schließlich: Im nächsten Jahr sind Ersatzbeschaffungen für Fahrzeuge und Gerät in Höhe von 24 Millionen Euro im Landeshaushalt geplant. Schultjan: Kein privater Arbeitgeber würde solch hohe Ausgaben tätigen, wenn er seinen Betrieb verkaufen möchte. Das wäre Verschwendung von Steuergeldern. Die Gewerkschaft vermutet in einem Flugblatt: „Oder werden politische Entscheidungen zugunsten bestimmter gesellschaftlicher Gruppen getroffen?“ Die Bauindustrie habe einen Teil des Gutachtens mitfinanziert. Nach ver.di-Rechnungen bringe die vorgeschlagene Privatisierung für das Land keine finanziellen Vorteile. Dafür aber Nachteile für die bisher vom Land beschäftigten Mitarbeiter und Abstriche in der Qualität. „Was ist mit dem Winterdienst? Was mit der umfassenden Betreuung der Straßen?“ fragt sich Angela Schultjan, die befürchtet, „dass es so geht, wie in der privaten Entsorgungswirtschaft. Das wird eine Spirale nach unten. Privat“, weiß sie, „wird in der Regel teurer“. Dass es eine Reform des Straßenbetriebsdienstes geben müsse, sei auch den Mitarbeitern bewusst. Ver.di favorisiert das ebenfalls im Pilotprojekt untersuchte Modell der Mini-Meistereien. „Wir müssen den Sockel behalten und den Rest als Auftrag vergeben“, formuliert es Andreas Bagats. In der Straßenmeisterei Eschershausen sei ein solches Konzept bereits umgesetzt. Das Personal sei in den letzten 16 Jahren von 38 auf 22 Mitarbeiter reduziert worden. Das Konzept, die Straßenmeisterei Eschershausen mit der Kreisstraßenmeisterei Stadtoldendorf zusammenzuführen (der TAH berichtete) – die Straßenmeistereien landesweit also zu kommunalisieren – ist längst vom Tisch. „Die Kommunen haben abgewinkt“, erklärt Angela Schultjan. Das führe zu der Frage, „wenn die Kommunen schon sagen, das ist für das Geld, das das Land dafür zahlen will, nicht zu leisten, wie sollen es dann die Privaten schaffen“.