Liebe Genossinnen und Genossen,

mit diesem Plenum verabschieden wir uns nicht nur vom alten Plenarsaal. Wir verabschieden uns auch fast in die Sommerpause – allerdings noch nicht ganz: Am 25./26. Juli findet die Haushaltsklausur der Landesregierung statt. Am 29. Juli kommt der Fraktionsvorstand zu einer Klausur zusammen, um über den Haushaltsentwurf und die Arbeitsschwerpunkte für das 2. Halbjahr zu beraten.

Am 28. Juli findet unser Planspiel statt. Ich habe es aus der Vergangenheit in toller Erinnerung – insbesondere die Jugendlichen als engagierte Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Ich gehe davon aus, dass es auch in diesem Jahr wieder ein großer Erfolg wird.

Heute Abend steht das traditionelle Sommerfest unserer Fraktion an. Ich freue mich auf ein schönes Fest, mit interessanten Gästen und spannenden Gesprächen!

Auf der Tagesordnung des Plenums steht am Mittwoch die Ansprache von Helmuth Graf von Moltke „Die Frucht des Deutschen Widerstands“ – in Erinnerung und zum Wachhalten der Erinnerung an den 20. Juli 1944. Ich will als Vorsitzende der sozialdemokratischen Landtagsfraktion an dieser Stelle bewusst auch an den sozialdemokratischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus erinnern.

Willy Brandt hat das vor 35 Jahren in einer Rede folgendermaßen formuliert: „Widerstand darf man ja auch nicht als spezifisch sozialdemokratisch einstufen wollen. Verfolgt, verfemt und vernichtet worden sind viele andere – bis hin zum immer noch kaum erklärbaren, millionenhaften Mord an Männern, Frauen und Kindern ihrer bloßen Herkunft wegen. Aber gewiss hat es gegeben den Widerstand und die Verfolgung vieler deutscher Sozialdemokraten, die sich – wie andere – nicht beugen mochten und sich verzweifelt auflehnten gegen die Tyrannei. Die sich nicht anpaßten, geschweige denn mitmachten. Die viel Leid auf sich und ihre Familien luden. Drinnen und draußen. Allein und mit anderen. Organisiert und unorganisiert.“ (Brandt, Willy, Deutsche 2 Sozialdemokraten und ihr Widerstand gegen den Nationalsozialismus, in: Fetscher, Iring, Geschichte als Auftrag. Willy Brandts Reden zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Bonn, 1981, S. 192).

Dabei geht es mir nicht um ein Aufrechnen und eine Bilanzierung, welchen Anteil wer am Widerstand hatte. Auch da gilt die bereits genannte Rede von Willy Brandt. „Mut und Gewissen und Leidensfähigkeit sind keine Tugenden, die die Sozialdemokraten

gepachtet hätten. Sozialdemokraten bilden sich nicht ein, sie seien durchweg bessere Menschen. Oder die Wahrheit gehöre ihnen. Oder sie seien frei von Fehlern. Der Maßstab für Widerstand ist mehr als Partei, nämlich Menschlichkeit. Widerstand gegen Terrorherrschaft war zuallererst in menschlichen Grundwerten verankert“ (ebd., S. 192/193).

Mir ist wichtig, dass wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten den sozialdemokratischen Widerstand nicht in Vergessenheit geraten lassen. 2013 haben wir das Jubiläumsjahr begangen – 150 Jahre SPD. Und nun ist und bleibt es richtig, die Gegenwart zu gestalten, sich der heutigen vielschichtigen Probleme anzunehmen und die Lebenssituationen heute (und hoffentlich auch für nachfolgende Generationen) zu verbessern. Insofern kann und darf die SPD keine museale Veranstaltung sein. Aber unsere Partei hat eine große Geschichte, die einen wichtigen Bestandteil ihrer Identität ausmacht. Der sozialdemokratische Widerstand und das Exil sind Teile davon! Und bei allen Gegenwartsaufgaben und tagesaktuellen Aufgaben sollten wir das auch außerhalb von Jubiläumsjahren im Blick behalten.

Unsere Agenda für das Juli-Plenum

Entschließungsantrag „Gänsemonitoring und –management in Niedersachsen“ (Drs. 17/1757)

Die Verbreitungsschwerpunkte der in Niedersachsen rastenden und überwinternden nordischen Gänsearten liegen im Ems-Dollart-Raum, im Rheiderland, in Butjadingen, an der Unterelbe sowie in der Elbtalaue. In diesen Räumen hat das Land gemäß der EU-Vogelschutzrichtlinie (EU-Richtlinie 79/409/EWG) Schutzgebiete ausgewiesen.

Die Bestände der bei uns rastenden und überwinternden nordischen Gastvögel haben sich in den vergangenen Jahrzehnten gut erholt. Auch andere Bestände haben sich bei uns verbreitet und sehr positiv entwickelt. In den ausgewiesenen Schutzgebieten unterliegen die landwirtschaftliche Nutzung der Flächen sowie die Bejagung der Gänse besonderen Bedingungen, die mit Einschränkungen für die Nutzer verbunden sind. Um einen finanziellen Ausgleich hierfür zu schaffen, hat das Land mithilfe des Vertragsnaturschutzes finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Dabei erhalten Landwirte für ihre Flächen in Vogelschutzgebieten eine von konkreten Schäden unabhängige Zahlung. Dennoch gibt es seit Jahren Konflikte zwischen Landwirten, Jägern und Naturschützern um den Schutz der Gänse. Während die eine Seite die Ausweitung der Jagd nicht zuletzt aus Gründen der Schadensminimierung fordert, argumentiert die andere Seite, die Jagd vergrößere die Schäden in der Landwirtschaft, weil die Tiere dadurch ihr Verhalten ändern und sich anders im Raum verteilen. Ergänzend zur Änderung der Jagdzeitenverordnung in Niedersachsen, die insbesondere die Gänsethematik betrifft, soll über die Möglichkeiten des Schadensausgleichs langfristig ein Interessenausgleich erzielt werden, der sowohl den europäischen Schutzanforderungen als auch der landwirtschaftlichen Nutzung gerecht wird. Vor diesem Hintergrund fordert der Landtag die Landesregierung auf, ein wissenschaftlich fundiertes Gänsemonitoring und -management am Beispiel von Regionen im Nordwesten des Landes zu entwickeln, um zu einer besseren Bewertungsgrundlage zu kommen.

Entschließungsantrag „Visafreiheit für türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ermöglichen“ (Drs. 17/1755)

Noch immer kann nur ein Bruchteil aller türkischen Staatsangehörigen visumsfrei nach Deutschland einreisen. Eine restriktive und verwaltungsintensive Praxis bei der Visavergabe erweist sich für viele Antragsstellerinnen und Antragsteller als unüberwindbares Hindernis für eine Einreise in die Bundesrepublik - selbst Antragsstellerinnen und Antragsteller, die nach dem Assoziierungsabkommen mit der Türkei von der erleichterten visumsfreien Einreise umfasst sind, werden vor erhebliche bürokratische Hindernisse gestellt. Betroffene berichten von wochen- oder sogar monatelangen Wartezeiten, kostenintensiven Verfahren und grundlos abgelehnten Einreiseanträgen. Personen, die unstreitig visumsfrei in die Bundesrepublik einreisen dürfen, sehen sich somit einem Verwaltungsverfahren ausgesetzt, das faktisch dem eines Visumsantrags gleichkommt. Die abschreckende Verwaltungspraxis der deutschen Botschaft schlägt sich auch in der sinkenden Zahl der Anträge auf visumsfreie Einreise nieder. Im Ergebnis wird so die Ausübung des Rechts auf visumsfreie Einreise im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit klar verhindert.

Die Probleme werden auch bei wirtschaftlichen Kontakten zwischen niedersächsischen und türkischen Unternehmen deutlich. Diese unterhalten rege wirtschaftliche Beziehungen. Die Türkei ist regelmäßig Partnerland auf zahlreichen Messen in Hannover, und viele niedersächsische Unternehmen haben Tochtergesellschaften in der Türkei. Aus türkischer Perspektive ist Deutschland sogar der wichtigste Handelspartner. So gibt es beispielsweise 5 259 Unternehmen in der Türkei, an denen deutsche Unternehmen eine Kapitalbeteiligung besitzen. Darum machen sich besonders in Niedersachsen die aufgezeigten Hürden für eine Einreise negativ bemerkbar. Zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen und auch die Deutsche Messe AG berichten von Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit Partnerinnen und Partnern aus der Türkei.

Auch über die aktive Dienstleistungsfreiheit hinaus, etwa bei Familienbesuchen oder kommunalen Initiativen zum kulturellen und sportlichen Austausch mit der Türkei, steht die Visavergabe im Zeichen von Bürokratie und Intransparenz. Der Antrag setzt sich für eine Visafreiheit ein und fordert die Landesregierung auf, sich gegenüber der Bundesregierung hierfür einzusetzen.

Entschließungsantrag „Den Müll im Meer nachhaltig reduzieren“ (Drs. 17/1756)

Der Umfang und die Auswirkungen des Eintrags von Müll in die Nordsee sind bekannt: Jährlich werden rund 20 000 t Abfälle in die Nordsee eingetragen, die zu rund drei Vierteln aus Kunststoffen oder Styropor bestehen. Ebenfalls bekannt sind die Auswirkungen des Plastikmülls auf die Meeresumwelt: Seevögel verspüren durch Plastikteile im Magen ein permanentes Sättigungsgefühl, das bis zum Verhungern der Tiere führt. In den Mägen der zwischen 2002 und 2006 entlang der Nordseeküste gesammelten toten Eissturmvögel befanden sich im Durchschnitt 32,4 Müllteile. Weitgehend unerforscht, jedoch nicht weniger problematisch sind nach Einschätzung des Alfred-Wegner-Instituts Mikroplastikpartikel im Meer, die sowohl über die Flüsse direkt eingetragen werden als auch durch den Zerfall größerer Kunststoffteile entstehen. Diese Partikel werden vom Zooplankton aufgenommen, sorgen dort für Veränderungen der Organismen und gelangen über die Nahrungskette auch in Fische und Meeressäuger.Die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) der Europäischen Union (Richtlinie 2008/56 EG) formuliert das Ziel, bis 2020 einen guten Zustand der

Meeresumwelt zu erreichen. Für die deutsche Nordsee kommt die am 30.05.2012 vom Bund-Länder-Ausschuss Nord- und Ostsee vorgelegte Anfangsbewertung des Umweltzustandes der deutschen Nordsee zu dem Ergebnis, dass dieses Ziel bisher bei weitem nicht erreicht ist. Maßnahmen und Forderungen zur nachhaltigen Reduzierung von Müll im Meer sind Gegenstand des vorliegenden Antrages.

Entschließungsantrag „Sicherstellung und Weiterentwicklung der qualifizierten Angebote für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen in Niedersachsen“ (Drs. 17/1754)

Seit dem 26.03.2009 ist die Behindertenrechtskonvention in Deutschland rechtsverbindlich. Sie ist damit bindendes Menschenrecht und verleiht Menschen mit Behinderungen einklagbare Rechte, vor allem das Recht auf umfassende gesellschaftliche Teilhabe in allen Bereichen. Derzeit beste-hen jedoch für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen unüberwindbare Hürden, die mit der UN-Behindertenrechtskonvention nicht im Einklang stehen. In Niedersachsen gibt es schätzungs-weise 200 bis 500 Betroffene, die im Vergleich zu anderen behinderten Menschen in ihrer Mobilität, in ihrer Kommunikation und im Alltag auf besondere Weise eingeschränkt sind. Die Inklusion kann daher nur gelingen, wenn sie im Alltag durch eine persönliche Assistenz unterstützt werden und frühzeitig geeignete Kommunikationsformen, wie etwa die taktile Gebärdensprache oder das Lormen, erlernen können. Der vorliegende Antrag formuliert Maßnahmen und Forderungen, um die Inklusion dieser Personengruppe voranzubringen.

Ich freue mich auf eine spannende Plenarwoche! Gleichzeitig wünsche ich Euch schon jetzt eine schöne sitzungsfreie Zeit und gute Erholung.