Die SPD-Landtagsabgeordnete hatte kürzlich zur zweite Veranstaltung ihres Bürgerdialoges eingeladen diesmal zu den Themen Gesundheit und Pflege. Im Mehrgenerationenhaus in Eschershausen konnte sie ein interessiertes und fachkundiges Publikum begrüßen und sprach die Hoffnung auf intensive Diskussionen aus, was später nicht unerfüllt blieb.

Dialog Gesundheit1
Sabine Tippelt (oben, 2.v.r.) neben Uwe Schwarz während der Diskussion

Weiterhin zog Sabine Tippelt ein Resümee ihrer mehrwöchigen Rundreise und ihrer dabei gesammelten Eindrücke vor Ort. Sie ging dabei auf die dort geäußerten Wünsche und Anregungen ein, die ihr entgegengebracht wurden. Dabei sei ihr der vielzitierte Pflegenotstand immer wieder vor Augen geführt geworden, aber auch die
schlechte Bezahlung der Mitarbeiter und deren hohe Belastung durch viele zu leistende Stunden.

Als kompetenter Referent konnte Uwe Schwarz gewonnen werden, der sozial- und gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag. Uwe Schwarz betonte in seinen Begrüßungsworten, dass es sich bei den Themen Gesundheit als auch bei der Pflege um zwei sehr umfangreiche Bausteine der
Sozialpolitik mit vielerlei Facetten handelt. Dem Problem Bevölkerungsrückgang, stehe die größer werdende Zahl der älteren und alten Menschen gegenüber. Hinzu komme der gravierende und sich verschärfende Ärztemangel in den ländlichen Gegenden. Zudem gäbe es eine Verschiebung von den Allgemeinmedizinern hin zu den Fachärzten. Diese übernähmen dann Aufgaben der Hausärzte. Hier kämen immer mehr die Forderungen an die Politik zu „nun macht mal“. Leider ginge das aber nicht so einfach, führte Schwarz aus, da die Kassenärztlichen Vereinigungen eine ziemlich große Macht hätten. Ihren Sicherstellungsauftrag erfüllten sie oft nach Gutdünken. Zudem sei eine enge Verzahnung und Zusammenarbeit aller Beteiligten oft nicht gegeben und ein
Interesse daran lasse sich auch nicht erkennen. So gäbt es ein Kräftemessen zwischen Ärzten und Krankenkassen, im Bereich der Pflege ein Tauziehen zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen. Hier sei die Politik wirklich gefragt und es würden einige Initiativen vorbereitet. Ebenso müsse der Trend aufgehalten werden, dass die medizinische Versorgung sich zunehmend in den zentralen Orten zum Nachteil der kleineren Gemeinden konzentriere. Eine große Herausforderung sei auch der Ausbau der Palliativmedizin. Die SPD fordert auch die Schaffung von Patientenschutzbeauftragten und - bedingt durch die aktuellen Ereignisse an der
Universitätsklinik Göttingen – die Einrichtung von Transplantationsbeauftragten.

Zur Pflege führte Schwarz aus, dass der Begriff Pflegenotstand schon seit längerem ein bisantes Thema unserer Zeit sei. Er machte dies an Zahlen deutlich: Derzeit gibt es 250.000 pflegebedürftige Menschen in Niedersachsen, am Ende dieses Jahrzehnts werden es schon 300.000 sein und noch einmal zehn Jahre später ist mit
400.000 Pflegebedürftigen zu rechnen. Dem gegenüber steht der Mangel an Fachkräften in der Pflege: Schon jetzt klafft eine Lücke von 3000 fehlenden Pflegekräften und in 20 Jahren wird mit 50.000 fehlenden Kräften gerechnet. Dies sind nur die Zahlen aus Niedersachsen, sagte Schwarz. Dass sich so wenig Menschen finden, die einen Pflegeberuf ergreifen wollen, habe viele Ursachen. Zum einen seien da die Rahmenbedingungen, Dauerstress und Schichtdienst seien zu nennen, aber auch eine eher geringe Entlohnung für die übernommenen verantwortungsvollen Tätigkeiten einer Pflegekraft. Laut Schwarz verdient ein Arbeiter am Band bei VW ein Fünffaches (!) von einer Pflegekraft. Er warf dann die Frage auf, ob uns das Auto mehr wert sei, als eine gute Pflege. So sei es kein Wunder, dass eine Pflegekraft nur eine durchschnittliche Verweildauer von fünf bis sieben Jahren im Beruf habe.

Schwarz sprach auch die finanzielle Situation an: 1995 wurde die gesetzliche Pflegeversicherung ins Leben gerufen. Sie sei seitdem nahezu unverändert geblieben und müsse reformiert werden. Er bezifferte einen erforderlichen Mehrbetrag auf 10 Milliarden Euro, um die Pflegeversicherung in gutes Fahrwasser zu bringen und forderte, dies durch Steuermittel, aber auch durch eine unumgängliche Beitragserhöhung von einem Prozent zu finanzieren. Im Gegenzug fordert die SPD dafür eine tarifliche Entlohnung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
in der Pflege sowie die Abschaffung des Schulgeldes für Auszubildende und Umschüler.
In der anschließenden intensiv geführten Diskussion wurden viele Themen beleuchtet und es meldeten sich Fachleute aus der Ärzteschaft und den Pflegeeinrichtungen zu Wort. Gefordert wurde eine Neuregelung bei den ärztlichen Notdiensten. So hieß es, eine Fahrt zum augenärztlichen Notdienst am Wochenende von über 80 Kilometern sei nicht zu verantworten, ebenso wie das Auge aus diesem Grund unversorgt zu lassen. Es könne nicht akzeptiert werden, dass seit September 2012, der augenärztliche Notdienst für den Landkreis Holzminden außerhalb der Sprechzeiten nur noch in Göttingen stattfinde, obwohl die hier ansässigen Augenärzte unter Inkaufnahme erheblicher Mehrbelastung sich gegnüber der Kassenärztlichen Vereinigung dafür eingesetzt haben, diesen Notdienst ortsnah zu gestalten.

Abschließend stellte Uwe Schwarz noch einige Forderungen der SPD vor. So müsse das Schulsystem Alten- und Gesundheitspflege vereinheitlicht werden. Betriebliche Ausbildung ist angesichts der knappen Pflegesätze als Einnahmequelle der Einrichtungen ein Verlustgeschäft. Dies müsse sich dringend ändern, auch daher die
Forderung nach mehr Gegenfinanzierung.

Sabine Tippelt dankte in ihrem Schlusswort für die vielen und vor allem guten und interessanten Wortbeiträge und sagte, dass ihre Hoffnung auf eine intensive Aussprache über viele Themenkreise und dadurch viele Anregungen erfüllt worden sei, die mit in das Regierungsprogramm aufgenommen werden können.