Plenarrede zum Weltnaturerbe Wattenmeer am 12.10.2011

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wein wird heutzutage so produziert, dass er bereits im Regal seine optimale Trinkreife be-sitzt. Nur noch maximal 3 bis 10 % der aktuellen Weine profitieren tatsächlich von einer längeren Lagerung. Das dürfte der FDP entgegenkommen. Mit 3 % kennen Sie sich ja gut aus. Grundsätzlich handelt es sich also um einen Trugschluss, wenn man heute glaubt, dass Wein besser wird, wenn er lange liegt. Genauso wenig werden Anträge der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion besser, wenn sie länger liegen.
Genau das ist mit dem vorliegenden Antrag zum Wattenmeer geschehen. CDU und FDP haben am 3. Mai 2010 - hören Sie lieber zu, Herr Miesner -, also vor fast eineinhalb Jahren, den Antrag erstellt, der uns hier heute beschäftigt. Seither ist dieser, um im Bild zu bleiben, ohnehin schon schlechte Wein nicht besser geworden, sondern lediglich ein wenig zugestaubt.
Es ist schon erstaunlich, mit welcher Hartnäckig-keit die Koalition in dieser gesamten Zeit alles ignoriert hat, was diesem Antrag gutgetan hätte. Sogar die umfangreichen Unterlagen, die uns das MU zur Verfügung gestellt hat, werden von CDU und FDP in keiner Weise berücksichtigt. Diese Fahrlässigkeit, mit der hier die Chancen des Wat-tenmeeres verspielt werden, grenzt schon an Bös-willigkeit.
Man muss fast schon dankbar dafür sein, dass die Fraktionen von CDU und FDP überhaupt einmal tätig werden, indem sie sich nun entschlossen haben, die Evaluation der Nationalparkhäuser zu veröffentlichen, allerdings auch nur, weil wir von-seiten der SPD monatelang Druck ausgeübt ha-ben.
Genauso ist es. Der Umweltausschuss hatte sich dazu entschieden, und der Wirtschaftsausschuss nicht, Herr Hocker. Lesen Sie die Protokolle.
Die SPD-Fraktion bedankt sich ausdrücklich bei den Mitarbeitern des MU für die aussagekräftigen Unterlagen, die wir - offensichtlich im Gegensatz zu CDU und FDP - sehr aufmerksam gelesen ha-ben.
Gerade weil wir das getan haben, ist der gemein-same Änderungsantrag von SPD und Grünen auf dem neuesten Stand. Darüber hinaus gehen wir z. B. explizit auf die Prüfung der Nationalparkver-waltung in Wilhelmshaven ein, die der Niedersäch-sische Landesrechnungshof durchgeführt hat und in der er die Betreuungs- und Überwachungssitua-tion im Nationalpark kritisiert hat.
Unter Punkt g) unseres Antrages fordern wir daher eine Evaluation, um zu überprüfen, ob das bisheri-ge Schutzkonzept mit der Beteiligung von drei Institutionen - Nationalparkhäuser, Nationalpark-wacht und Besucherzentren - nicht effektiver aus einer Hand organisiert werden könnte.
Des Weiteren ist es unerlässlich, die Zahl der hauptamtlichen Nationalparkwarte, der sogenann-ten Ranger, in erforderlichem Umfang zu erhöhen.
Zurzeit hat Niedersachsen sechs Ranger. Dass es damit nicht sonderlich gut aufgestellt ist, zeigt schon die Tatsache, dass ein einzelner Ranger eine Fläche von 56 666 ha zu betreuen hat. Zum Vergleich sei angemerkt, dass für das Wattenmeer in Schleswig-Holstein 15 Ranger angestellt sind.
Es ist aus unserer Sicht nicht falsch, dass im An-trag der Fraktionen von CDU und FDP gefordert wird, dass das Weltnaturerbe Wattenmeer in sei-ner Einmaligkeit intensiv beworben werden soll, um es für Besucher aus aller Welt attraktiv zu ma-chen. Was fehlt, sind konkrete Ideen und Ansätze, wie das erreicht werden soll - mit einem Wort: Kre-ativität, meine Damen und Herren.
Der Antrag der Regierungskoalition fordert, dass für die Besucher sowohl die Informationsmöglich-keiten als auch die infrastrukturellen Vorausset-zungen geschaffen werden, um den Zugang zum Weltnaturerbe Wattenmeer zu verbessern. Wun-derbare Idee! Aber Sie haben wieder einmal keine Idee, wie das funktionieren soll. Ich sage es Ihnen: Indem Sie die Nationalparkhäuser personell und materiell besser ausstatten!
Was haben wir von einem höheren Besucherauf-kommen, wenn wir zu wenig Mitarbeiter haben, die sich um die Touristen kümmern? - Gar nichts! Denn schlechter Service spricht sich herum, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Da die Zuständigkeit der DZT für ein koordiniertes Inlandsmarketing mit dem 31. Dezember 2011 endet, müssen für diesen Bereich des Marketings neue Partner gefunden werden. Es bedarf außer-dem einer gut abgestimmten Qualitäts- und Tou-rismusoffensive, um das Wattenmeer touristisch attraktiver zu machen. Besucher werden nur dann kommen, wenn sie die Qualität von Beherber-gungsbetrieben und touristisch orientierten Unter-nehmen anlockt.
Das kann aus unserer Perspektive nur erreicht werden, wenn die in Rede stehenden Unterneh-men und Betriebe durch eine zentrale und neutrale Stelle zertifiziert werden, um ihre Qualität nachzu-weisen.
Das Einzige, worin ich mit dem Antrag von CDU und FDP übereinstimme, ist die wiederkehrende Forderung, alle Marketing- und Tourismusmaß-nahmen ausschließlich im Rahmen der Naturver-träglichkeit durchzuführen. Daran führt kein Weg vorbei. Das Weltnaturerbe Wattenmeer ist unter allen Umständen vor schädlichen Einflüssen zu schützen -
auch und selbst dann, wenn es zulasten der Att-raktivität für Besucher geht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Lassen Sie mich abschließend einen Satz an Herrn Miesner von der CDU-Fraktion richten: Mein lieber Herr Miesner - wenn Sie der Meinung sind, dass sich eine typi-sche Tippelt-Rede - beim letzten Plenum haben Sie das ja so bezeichnet - dadurch auszeichnet, dass nur kritisiert wird, dann zeichnet sich, lieber Herr Miesner, ein typi-scher Miesner-Antrag wohl dadurch aus, dass er neuere Erkenntnisse völlig ignoriert.
Was den Einfallsreichtum in diesem Miesner-Antrag angeht, so lassen Sie es mich so formulie-ren: Wenn wir einem Dreijährigen einen Bleistift zum Malen geben würden, dann hätte ich wahr-scheinlich sehr viel weniger zu kritisieren, und das Wattenmeer hätte eine bessere Zukunft.
Danke schön.